Die Geschichte der Kanton-Emaille
Wie in Europa begann die Geschichte der Emaillierung in China auch mit der Cloisonné-Technik, die in der westlichen Welt seit der Antike verwendet wurde. Bei dieser Technik werden dünne Metallstreifen auf die vorgezeichnete Oberfläche eines Metallgegenstands (in der Regel Kupfer, Silber oder Gold) aufgebracht. In die so entstandenen, vielen kleinen Fächer (fr. cloisons bedeutet Trennwände) wird feingemahlene Emailpaste eingefüllt und das Werkstück anschließend ausgebrannt. Die Cloisonné-Emaillierung wurde vermutlich im späten 13. Jahrhundert in China eingeführt, wahrscheinlich aus dem byzantinischen Reich.
Der Name der Kanton-Emaille oder Kantonesischen Emaille (canton enamel) stammt von dem Namen der Stadt am Perlfluss (Guangzhou, früher als Kanton bekannt), die im 18. und 19. Jahrhundert das Zentrum des Chinahandels war. Die chinesischen Emaillierer übernahmen die Technik der Emailmalerei von französischen Missionaren, welche die Emaille aus Limoges mitbrachten, wo solche emaillierten Waren bereits seit dem 15. Jahrhundert in großen Mengen und in hervorragender Qualität hergestellt wurden. Die Techniken der bemalten Emaille und die neuen Emailliermaterialien wurden im späten 17. bis 18. Jahrhundert von europäischen Missionaren und Kaufleuten in China eingeführt. Das neue Verfahren und die neuartigen Materialen boten eine viel breitere Palette von Farben und ermöglichte Schattierungen, wobei eine Farbe nahtlos in die andere übergehen konnte – ein Effekt, der mit den früheren Materialien, die feste, nicht mischbare Farben lieferten, unvorstellbar war. Die Darstellungen wurden dadurch malerischer und graphischer.
Die Techniken der Emailmalerei aus Kanton waren auch eine große Unterstützung für die kaiserlichen Werkstätten in Peking. Als der Hof von Kangxi aktiv an der Entwicklung bemalter Emaillewaren arbeitete, warb man talentierte Emaillierer aus Kanton an, um die in Kanton etablierten Techniken auch am Hof einzuführen. Auch die Kaiser waren fasziniert von den neuen, aus Europa eingeführten Techniken.
Die Emaillen aus Kanton wurden hauptsächlich als Gebrauchsgegenstände hergestellt, während die in Peking gefertigten Emaillen für den Hof und in den meisten Fällen sogar für den eigenen Gebrauch des Kaisers bestimmt waren. Dementsprechend ist eine relativ begrenzte Motiv- und Ausdrucksvielfalt der gemalten Emaillen für die Produktion im Qing-Hof typisch, während die Emaillen aus Kanton eine große Vielfalt an Themen aufweisen.
Die Emailmaler waren häufig ursprünglich als Maler ausgebildet und verfügten über feine malerische Fertigkeiten, die sich in den Emaille-Objekten widerspiegeln. Die Porzellanmaler, die bereits über ausgereifte Maltechniken verfügten, konnten sofort als Emailmaler agieren, nachdem die neuen Materialen in China erschienen. Andersrum ging es auch: Wenn die kaiserliche Emaillierwerkstatt in Peking nicht ausgelastet war, wurden die Emailmaler oft zur Herstellung von Hofmalereien eingesetzt.
Im Qing-Hof und in Kanton entwickelten sich die Techniken der Emailmalerei im unterschiedlichen Tempo. Am Hof – trotz reicher personeller und materieller Ressourcen – verbreiteten sich die neuen Techniken wegen des strengen Systems langsamer. Kanton genoss die Vorteile eines regen Handels mit Europa und hatte Zugang zu den neuesten westlichen Techniken und Produkten. Die Emailmalerei in Kanton war natürlich kommerziell orientiert und genoss eine wesentlich größere Experimentierfreiheit als jene der Emailmaler in den kaiserlichen Werkstätten. Auch aus diesem Grund wurden Emailmaler aus Kanton regelmäßig an den Hof geschickt.
Ähnlich wie die japanischen Emailarbeiten waren auch die chinesischen Emaille-Gegenstände und -Kunstwerke in der westlichen Welt sehr beliebt. Nachdem die Ming-Kaiser mehr als 400 Jahre lang ausländischen Schiffen den Zugang zu den chinesischen Häfen (während der Qing-Dynastie sogar noch verstärkt) verwehrt hatten, wurde Chinas Tür mit dem Ersten Opiumkrieg (1840–42) von den britischen Kriegsschiffen mit Gewalt geöffnet. China war gezwungen, fünf seiner wichtigen Häfen für den Außenhandel zu öffnen. Dazu gehörte Kanton (Guangzhou in Guangdong), lange Zeit der einzige Kontaktpunkt zwischen China und Europa. Kanton, als Zentrum der Emailproduktion und des Vertriebs der Emaille, die im Westen als Kantonesische Emaille bekannt ist, behielt seine Stellung während des gesamten 19. Jahrhunderts.
Der chinesische Begriff für bemalte Emaille war: „ausländisches Porzellan“. Auch bei Kanton-Emaille wird, wie immer, ein Metallgegenstand (in der Regel aus Kupfer, manchmal aber auch aus Silber oder Gold) mit einer Grundschicht aus Emaille (oft weiß) überzogen, gebrannt und dann mit farbigen Emaillen bemalt. Das fertige Stück wird dann erneut gebrannt. Das Brennen kann – abhängig von der Farbgebung – auch mehrmals erfolgen.
Nach dem Erscheinen der Emailmalerei hat sich die Technik im 18. Jahrhundert rasant verbreitet und eine blühende Industrie entstand. Die kantonesische Emaille wurde in den kaiserlichen Manufakturen und in privaten Werkstätten in Peking hergestellt. Für die meisten kantonesischen Emaillen wurden die für Europa typischen Famille-rose-Farben verwendet. Famille rose (Französisch: „roséfarbene Familie“) ist von Dekorationen in undurchsichtigen Überglasur-Roséfarben, hauptsächlich Rosa- und Karmintönen, gekennzeichnet. Vor allem die Farbe Rosa war eine beliebte Ergänzung der chinesischen Palette und wurde nach ihrer Einführung zum Hauptfarbton der meisten Designs.
Unter den Motiven waren Pflanzen, Blumen, Insekten, Landschaften, Personen und auch Fabelwesen sehr populär. Im 18. Jahrhundert sind zudem auch europäische Charakter (sowohl Menschen als auch religiöse Motive wie Jesus oder Maria) als Motiv erschienen.
Emaille ermöglichte im Gegensatz zu Porzellan sehr feine und präzise Entwürfe. Viele der Emaillearbeiten sind äußerst fein und wurden auch in den kaiserlichen Werkstätten in Peking hergestellt. Die Emaillierer, die bereits sehr versiert in der Bearbeitung von Porzellan und Cloisonné waren, produzierten atemberaubende Stücke, die nach der Öffnung des Landes auch in der westlichen Welt sehr beliebt waren.
Ab Ende des 18. Jahrhunderts begann die Qualität der kantonesischen Emaillen zu sinken, den Tiefpunkt erreichte sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Trotzdem wurde die Kantonesische Emaille sowohl im 19. als auch im 20. Jahrhundert massenhaft hergestellt. Die Gegenstände (Vasen, Pinselhalter, Teller und kleine Platten) haben in der Regel eine gelbe, grüne oder blaue Grundfarbe, die oft mit einem floralen Muster und meistens mit rosafarbenen Blüten verziert wird. In der Mitte befindet sich oftmals ein weißer Grund mit Figuren. Zu den Produkten gehören Schüsseln, Teller, Tassen, Vasen, Teekessel und im 20. Jahrhundert auch Streichholzschachteln und Aschenbecher. Populär und sehr verbreitet waren zu dieser Zeit die kleinen Schalen und Dosen.
Farbgebung der Kantonesischen Emaille
Die Farben der „importierten“ Emailmalerei bezeichnete man in China im 17. Jahrhundert als Yangcai („fremde Farben“), da diese erstmals aus Europa eingeführt wurden. Die Namen der Farbgruppen stammen von Albert Jacquemart (1862) und werden bis heute verwendet.
Die wichtigsten Farben bzw. Muster der Kanton-Emaille sind (die Begriffe werden sowohl für die Porzellanmalerei als auch für die Emailmalerei verwendet):
Famille rose (fr., roséfarbene Familie): Dabei handelt es sich um ein am Anfang des 18. Jahrhunderts aufkommendes und vor allem unter Qianlong (1736–1795) weit verbreitetes Dekor, sowohl auf Porzellan als auch als Emailfarbe. Unter den gebrochenen Farben herrscht ein Rosa vor, häufig in einem »Hundert-Blumen-Motiv« sowie in Früchten und Genreszenen. Die Farbe der rosafarbenen Emaille kann von Blassrosa bis zu einem tiefen Rubinrot variieren. Große Mengen von emaillierten Gegenständen wurden in dieser Farbgebung produziert und exportiert.
Famille verte (fr., grünfarbene Familie): Dies ist eine grüne Farbgebung, die in der Porzellanmalerei der Kangxi-Epoche (1662–1722) und später in der Qianlong-Ära in der Emailmalerei erschien. Neben den vorherrschenden grünen Tönen finden »trockenes« Rot und Schwarz, seltener Gold, Verwendung. Beliebt bei pflanzlichen Mustern, Blumendekor, auch zusammen mit figürlichen Darstellungen.
Famille noire (fr., schwarzfarbene Familie): Eine in der Kangxi-Epoche (1662–1722) entdeckte schwarze Porzellanglasur, später auch als Emailfarbe auf Metall. Der schwarze Grund ist in der Regel mit sparsamen, eleganten Dekoren (Blütenzweige, Vögel, Bambus) und zurückhaltenden anderen Farben (grün, weiß) bemalt.
Famille jaune (fr., gelbfarbene Familie): Emailmalerei auf gelbem Grund bzw. mit gelben Motiven. In diese Familie gehören die Emaillen in „imperial yellow“, einer leuchtenden und attraktiven Farbgebung.
Literatur:
Jenyns, S., Watson, W. (1980): Chinesische Kunst (Band 2). Gold, Silber, Bronze, Email, Lack, Holz, Zürich, Orell Füssli
Cosgrove, M. G. (1974): Enamels of China and Japan. Robert Hale Ltd., London
Publiziert am: 01.02.2024